Anlagenbau: Streit um Übernahme von Auszubildenden in Mannheim / Konzernführung in Paris will Sparmaßnahmen forcieren

Alstom kommt auch 2014 nicht zur Ruhe

Von unserem Redaktionsmitglied Michael Roth

Mannheim. Beim Kraftwerksbauer Alstom beginnt das neue Jahr so, wie viele Monate im alten Jahr endeten: mit reichlich Unruhe in Management und Belegschaft. In Mannheim streiten Arbeitnehmervertreter und Management um die Übernahme von befristet Beschäftigten und Azubis. Unter den befristet Beschäftigten handelt es sich um Azubis, die letztes Jahr fertig wurden und einen Zeitvertrag erhielten und bei Azubis, um diejenigen, die ihre Ausbildung in Kürze beenden. „Das ist schon eine massive Auseinandersetzung” sagt ein Kenner der Materie.

In der Pariser Konzernzentrale kappte Vorstandschef Patrick Kron gestern wegen der schlechten Nachfrage nach Kraftwerken die Gewinnziele, der Aktienkurs brach um 13 Prozent ein. Kron kündigte an, die Sparinitiativen mit Stellenabbau „zu forcieren”. Außerdem steht der Verkauf von Konzernteilen auf der Agenda - das alles dürfte auch Folgen für den großen Standort Mannheim mit seinen rund 1800 Beschäftigten haben, welche ist noch offen. „Der Druck auf das deutsche Management aus Paris steigt, die sind an der kurzen Leine”, ist zu hören.

Aufsichtsrat „besucht”

Ende Dezember jedenfalls haben die Azubis die Aufsichtsratssitzung der deutschen Alstom besucht und in einer einstündigen Diskussion deutlich auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Nach Angaben eines Alstom-Sprechers gibt es eine Betriebsvereinbarung, der zufolge 68 Prozent der Azubis und Studenten der Dualen Hochschule nach der Ausbildung fest übernommen werden. „Derzeit findet ein Evaluierungsprozess für den Bedarf von Beschäftigten statt, die sich in 2014 ergeben”, so der Sprecher. Eine grundsätzliche Flexibilität und Mobilität wirke sich vorteilhaft auf die angebotenen Möglichkeiten aus. Denn die Jobangebote für die Azubis können auch an anderen Alstom-Standorten sein.

Die nächste Baustelle von Alstom in Mannheim und konzernweit ist die IT-Sparte. Hier teilte der Konzern mit, dass eine „globale Anpassung der Ressourcen erforderlich„ sei. Der Bedarf an Projekten werde in den kommenden 30 Monaten abnehmen. Die Auswirkungen im Einzelnen auf Landesebene werden Ende Januar zwischen den jeweiligen Mitarbeitervertretungen und dem Management vor Ort verhandelt. In Mannheim sind hier 40 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der „Anpassung” soll es dem Vernehmen nach um 10 bis 15 Stellen gehen.

Bei der Zusammenlegung von Konzernfunktionen könnte es zu Stellenverlagerungen kommen. „In den nächsten Jahren werden einzelne Aufgaben des Rechnungswesens von verschiedenen Standorten nach Frankfurt verlagert”, sagte der Sprecher. Hier sind die Auswirkungen für Mannheim noch nicht bekannt. Einer der die Verhältnisse im ganzen Konzern gut kennt, nennt die Zusammenlegungen „das gebündelte Chaos”.

Die Konzernführung in Paris tritt nicht nur auf die Kostenbremse, sondern will auch mit Verkäufen Schulden abbauen. Für die Eisenbahnsparte (baut den Schnellzug TGV) wird ein Partner gesucht, der eine Minderheitsbeteiligung kauft, heißt es in der Branche. Während ein Teilverkauf hier Mannheim nicht tangiert, wäre das bei einer Trennung von der Sparte „Energy Recovery Systems”, über die in der Branche ebenfalls spekuliert wird, der Fall. Der Bereich, der vor drei Jahren von einer Verlagerung nach China bedroht war, beschäftigt in Mannheim rund 140 Mitarbeiter, die sogenannte Luft- und Gasvorwärmer für Kraftwerke und Komponenten für Chemieanlagen bauen. Der Sprecher wollte die Verkaufsgerüchte nicht kommentieren.

Vergleichsweise gute Nachrichten kommen dagegen derzeit aus der Mannheimer Turbinenfabrik. Die hatte in den letzten Jahren immer wieder mal Auslastungsnöte. Kurzarbeit ist aktuell und auf absehbare Zeit kein Thema, so der Sprecher.

Neue Konkurrenz vor Ort

In der Mannheimer Servicesparte spürt Alstom seit geraumer Zeit einen neuen Konkurrenten: die Bilfinger SE, ebenfalls aus der Quadratestadt.

Bilfinger-Chef Roland Koch trimmt den früheren Bau- und Dienstleistungskonzern zu einem Serviceunternehmen mit nur noch angeschlossener Bautätigkeit.

„Bilfinger drängt im Kraftwerksservice mächtig auf den Markt”, sagt ein Kenner der Materie, die Margen sinken. Bisher hat bei Alstom die Servicesparte mit ihren Gewinnen andere Bereiche subventioniert.

© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 22.01.2014