Bei Alstom verhärten sich die Fronten

Betriebsrat lehnt Zugeständnisse des Turbinenherstellers ab

Der Streit um den Abbau von knapp 1000 Stellen bei Alstom Power in Mannheim droht zu eskalieren. Die Geschäftsleitung hat einen Kompromiss vorgeschlagen - den lehnt der Betriebsrat ab.

Von Inge Nowak

„Wir sind absolut pessimistisch gestimmt”, sagt Udo Belz, der Vorsitzende des Betriebsrats von Alstom Power in Mannheim, unumwunden. „Wir rechnen damit, dass die Gespräche scheitern werden.” Am kommenden Montag treffen Vertreter von Geschäftsleitung und Arbeitnehmern des Turbinenherstellers wieder aufeinander - die neunte und letzte Verhandlungsrunde, wie ein Sprecher sagt. Gestern hat Belz die Mitarbeiter über den Stand der Gespräche unterrichtet.

Zur Erinnerung: mit der dramatisch schlechten Auslastung in Mannheim hat der Alstom-Konzern im Frühjahr begründet, dass die Belegschaft deutlich reduziert werden soll. Dabei geht es insgesamt um eine Halbierung der Beschäftigung - rund 950 Stellen sollen wegfallen. 500 Personen haben sich freiwillig bereit erklärt, das Unternehmen zu verlassen - meist über Altersteilzeit. Bei den Gesprächen geht es also um 450 Arbeitsplätze. Seit Frühjahr dieses Jahres stellen die Mitarbeiter in Mannheim ihren Kampfeswillen unter Beweis. So haben sie fünf Tage bei einer Betriebsversammlung ausgeharrt - vermutlich ein Rekord. Die Klage vor dem Arbeitsgericht gegen diese Mammutveranstaltung hat die Geschäftsleitung wieder zurückgezogen. Zahlreiche Protestveranstaltungen hat es inzwischen in der Mannheimer Innenstadt gegeben. Um die Wogen zu glätten, wurde im Sommer auf Empfehlung des Aufsichtsrats eine Arbeitsgruppe ins Lebens gerufen, die eine Lösung erarbeiten sollte - paritätisch besetzt mit Vertretern der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmer.

Herausgekommen dabei ist aber nicht die angestrebte einvernehmliche Lösung – ”wir konnten uns nicht einigen” (Belz) –, sondern „lediglich” ein Kompromissangebot des Arbeitgebers. Demnach will Alstom statt der bisher geplanten 450 Stellen „nur” 300 Arbeitsplätze abbauen. Diese Mitarbeiter sollen in eine so genannte Restrukturierungsabteilung überführt werden. Dort sollen sie Unterstützung bei der Suche eines neuen Arbeitsplatzes erhalten, stellt sich das Unternehmen offensichtlich vor. Öffentlich reden tut man darüber derzeit nicht. „Dort sollen die Mitarbeiter so lange gequält und gemobbt werden, bis sie freiwillig gehen”, wettert dagegen Belz. Er regt sich hörbar auf. „Das ist eine bösartige Unterstellung”, räumt er denn auch im nächsten Satz ein. Für ihn steht fest: „Das machen wir nicht.” Denn in dieser Restrukturierungsabteilung haben die Mitarbeiter keine Arbeit, und sie bietet nur kurzfristig Sicherheit. Mitte 2007 – so lange läuft noch der Beschäftigungssicherungsvertrag für den Standort Mannheim - müssten sie dann wohl mit der Kündigung rechnen.

„Es gibt keinen Grund, dies (Personal abzubauen) zu tun”, da ist sich Belz sicher. Denn der Markt für Turbinen „fängt an zu boomen”. Zwar wird in Mannheim seit eineinhalb Jahren immer wieder kurzgearbeitet, auch derzeit ist davon die Produktion betroffen. Doch schon 2006 soll das Geschäft wieder anlaufen. Insgesamt 17 Kraftwerksprojekte sollen allein im nächsten Jahr vergeben werden. Weitere sechs Projekte stehen bis 2008 an. „Siemens baut Personal auf, Alstom ab”, kritisiert der Betriebsratsvorsitzende. Bei Alstom teilt man zwar die Markteinschätzung, aber: Nur wenn der Standort auch produktiv sei, habe er eine Zukunft, hält der Sprecher dagegen. Und die Produktivität müsse deutlich erhöht werden. „Wenn es Probleme gibt, können wir darüber reden”, bietet Belz an.

„Unser Angebot für Montag liegt auf dem Tisch”, sagt der Alstom-Sprecher. Auf die Frage einer möglichen Nachbesserung geht er gar nicht erst ein. Der Betriebsrat lehnt den Vorschlag kategorisch ab – und damit droht der Streit zu eskalieren. Denn eine weitere Verhandlungsrunde ist derzeit nicht vorgesehen. Am Samstag hat der Deutsche Gewerkschaftsbund in Mannheim zu einer Protestaktion geladen – alle Branchen, in denen Personal abgebaut wird, sind dazu aufgerufen. Am Dienstag planen die Alstom-Arbeitnehmervertreter – sollten die Verhandlungen scheitern – eine weitere Demonstration in der Mannheimer Innenstadt.